Als wir noch
in Deutschland davon erzählt haben, dass wir nach der Schule einen
Freiwilligendienst in Indien absolvieren wollen, haben wir beide oft ähnliche
Rückmeldung bekommen: „Wie toll von dir, dass du den armen Kindern dort hilfst
ein besseres Leben zu führen!“ (sinngemäß). Klar diese Reaktion ist irgendwo
nachvollziehbar, schließlich wird ein weltwärts Freiwilligendienst zu 75% vom
BMZ finanziert – von staatlichen Mitteln, die Menschen in „materieller Not“ zu
Gute kommen sollen! Andererseits beschreibt sich weltwärts selbst vor allem als
„Lerndienst“, doch wer ist der Lernende – der Freiwillige!
An dieser
Stelle müssen wir zugeben, dass wir hier tatsächlich niemanden aus materieller
Not befreien können und dies auch nicht zu unserem Aufgabenfeld gehört. Wir
helfen in geringem Maße der NGO NMCT, in dem wir Dokumentationsarbeit für sie
leisten. Außerdem gestalten wir die Freizeit der Kinder in Abhaya und probieren
ihnen durch Einheiten zu „Nett-Sein“, „gesundes Essen“ oder „Computer Class“
etwas Sinnvolles mit auf den Weg zu geben. Wir tragen durch die tägliche
Kommunikation zur Verbesserung ihrer Englisch-Kenntnisse bei und da wir
Freiwillige und keine angestellten Mitarbeiter sind, haben wir auch Zeit ihnen
einfach Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken. Das mag auf den ersten Blick
nicht schlecht klingen, jedoch kommt die Frage auf, warum diese Arbeit
ausgerechnet von deutschen, unausgebildeten Jugendlichen verrichtet wird, die
zwar nicht direkt bezahlt werden müssen, denen aber hohe Kosten für Flug, Visum
ect. gestellt werden.
Der
Freiwilligendienst ist für uns eine enorme Bereicherung. Wir lernen die Arbeit
einer NGO kennen, sehen wie HIV infizierte Menschen unterstützt werden können,
wie ein Mikrokredit weiterhilft und welche Auswirkungen ein Netzwerk aus
Frauenselbsthilfegruppen haben kann. Wir fangen an uns mit den Folgen
kolonialer Machtverhältnisse und Rassismus auseinander zu setzen, denken über
Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und die Bedeutung von Bildung nach. Wir reflektieren
viel mehr über unser eigenes Denken und Handeln und stellen vor allem auch
deutsche Systeme in Frage. Es handelt sich also eindeutig um eine individuelle
Horizonterweiterung, die den Menschen in Not konkret nicht weiterhilft.
Doch ein
Freiwilligendienst ist mehr, denn eine solche Horizonterweiterung zieht Kreise.
Ein Beispiel dafür ist unser Blog, mit dem wir euer Interesse an Indien wecken
wollen. Er soll Einblicke in eine fremde Kultur und generell in
Entwicklungszusammenarbeit geben. Klar können wir uns dabei nur auf unser
persönliches Bild beschränken, aber immerhin sind unsere Berichte frei von
medialen Vorurteilen.
Auch ist
unser eigenes Interesse an globalem Austausch geweckt und damit kann
tatsächlich etwas bewirkt werden! Wie Studien zeigen gewinnt die
Entwicklungszusammenarbeit durch rückgekehrte Freiwillige viele neue und
engagierte Helfer. Außerdem tragen Rückkehrer durch persönliche Gespräche,
spontanes Verhalten und aktive Vortragsarbeit dazu bei, dass zwischen Ländern
wie Deutschland und Indien eine Partnerschaft auf Augenhöhe entsteht.
Ziel des
weltwärts Programmes ist es also nicht „Entwicklungshelfer“ zu entsenden, die
nach dem klassischen, rassistischen Geber-Nehmer-Prinzip den armen Kindern
etwas zu Essen geben und somit eine Abhängigkeit wie in kolonialer Zeit
weiterführen. Vielmehr sollen die Freiwilligendienste dazu beitragen, dass eine
Brücke zwischen dem globalen Norden und Süden gebaut wird und gleichberechtige,
freundliche Beziehungen entstehen.
Der einzige
Kritikpunkt der bleibt, ist, warum diese Brücke in der Vergangenheit nur
dadurch errichtet werden konnte, dass Freiwillige aus dem globalen Norden in
den Süden reisen und nicht anders herum. Wir sind sehr froh euch hiermit
berichten zu können, dass unsere Entsendeorganisation, die KKS, sich ab
nächstem Jahr auch an einem Gegenprogramm beteiligt. Im Frühjahr werden zwei
InderInnen nach Bensheim kommen und sich dort in einem ähnlichen Rahmen – wie
wir es im Moment hier in Indien tun – engagieren. Ihr Aufenthalt wird ebenso
vom BMZ gefördert!
Im Moment kriegen wir hier in Indien die
Vorbereitungen für dieses Programm mit. Letzten Monat haben wir Malathi aus dem
KKID zu einer Informationsveranstaltung an eine Universität begleitet und
konnten den Studenten dort ein wenig über unsere Erfahrungen als Freiwillige
berichten. Auch unter den Mitarbeitern von NMCT gibt es großes Interesse! Wir
sind schon sehr gespannt, wen wir 2016 in Deutschland begrüßen dürfen! J
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