Mittwoch, 9. März 2016

Kuscheln oder Essen? - Über den indischen und deutschen Umgang mit Tieren

Immer wieder spricht man von Indien als ein tierfreundliches und tierwertschätzendes Land. Laut dem Klischee gelten Kühe als heilig und werden weder gegessen noch überfahren und in den Tempeln leben Menschen in Harmonie mit Elefanten zusammen. Schätzungen zur Folge ernähren sich rund 40 % der indischen Bevölkerung vegetarisch, während es in Deutschland nur 10 % sind. Die Durchschnitts-InderInnen konsumieren 4 Kg Fleisch pro Kopf pro Jahr, die Durchschnittsdeutschen ganze 60 Kg !!!

Doch das westliche Auge erschrickt beim Anblick der indischen Realität. Hühner werden lebendig, an ihren Füßen zusammen gebunden, auf Motorrädern zum Schlachter transportiert, wo sie in engen Käfigen zusammengepfercht darauf warten dürfen, vor den Augen des Kunden geschlachtet zu werden ( mit dem Beil auf einem Holzblock). Elefanten verbringen die meiste Zeit ihres Tempellebens in Ketten gelegt und Ochsen und Kamele werden vor der Kutsche durch Nasenringe gelenkt. 

Im Kontrast dazu ist das Straßenbild geprägt von frei herum galoppierenden Pferden, schlafenden oder lautstark kämpfenden Straßenhunden - und nur in Indien wird das Ballspiel der Kinder wegen einer Kuh unterbrochen, die durchs Spielfeld läuft. Auf der einen Seite bedeutet dies Freiheit für die Tiere, auf der anderen Seite sind sie dadurch Gefahren ausgesetzt, wie dem Straßenverkehr oder giftigem Müll, in dem jede Art von Tier immer wieder nach Nahrung sucht.

Wir haben festgestellt, dass der Umgang mit Tieren hier ein anderer ist. Die Menschen sind vielmehr auf ihren Nutzen fokussiert. Vegetarier ist man aus religiösen Gründen, ein Hund hält man sich zur Wache, nicht zum Schmusen. Und um weiter unser oben angestelltes Klischee zu widerlegen, wollen wir auch an die Muslimen und Christen erinnern, bei denen Kuh, genau wie in Deutschland, auf der Speisekarte stehen kann. 

Dass ein Hund mit im Bett schläft und Reiten als reines Hobby und nicht als Fortbewegungsmethode gesehen wird, stößt in unserem indischen Umfeld eher auf Unverständnis. Vegetarismus aus Tierliebe wird akzeptiert, ist uns hier aber noch nicht begegnet. Und auch wenn es unzaelige vegetarische Restaurants gibt, wird zu besonderen Anlässen (z.B. wenn Gäste zu Besuch kommen) mit Fleisch gekocht.

Allerdings gibt es auch in Indien Tierschutzorganisationen! So kam am Welt-Tier-Tag eine Gruppe junger AktivistInnen nach Abhaya, die sich gegen den qualvollen Transport der Hühner aussprechen, und Papageien aus viel zu engen Käfigen retten und aufpäppeln. Außerdem haben wir an der Bushaltestelle einen Vertreter von " save our snakes" kennengelernt, eine NGO, die 24/ 7 erreichbar ist und angerufen werden kann, wenn man eine Schlange bei sich zu Hause entdeckt. Somit soll verhindert werden, dass Menschen die Schlange töten, was hier eine gängige Vorgehensweise ist.
Und schauen wir mal genauer in unser Heimatland, müssen wir feststellen, dass Tiere bei uns nicht besser behandelt werden, es wird nur besser versteckt! Der Transport zum Schlachter passiert in großen, unauffälligen LKWs, die der Bevölkerung erst dann auffallen, wenn sie im Stau versehentlich neben so einem landen (was oft ein Drama in Familienautos auslöst). Vergleicht man das Leben einer Kuh in Massentierhaltung, mit dem Leben der Kuh unseres indischen Nachbarn, geht es dem indischen Tier doch minimal besser, da es zwar den ganzen Tag vor dem Haus angebunden ist, doch frische Luft, ein bisschen Platz und die Unterhaltung durch das Straßenleben genießen kann (ab und zu wird sie sogar Spazieren geführt).

In Deutschland essen wir zwar viel mehr Fleisch, wollen aber nicht wahrhaben, woher das, was auf unserem Teller ist, eigentlich kommt - es sieht nicht mehr wirklich nach Tier aus! Auf einem Bild haben unsere Mädchen deutschen Weihnachtslachs für "Sweets" gehalten, denn hier in Indien wird der Fisch als Ganzes - mit Kopf und Flosse - und das Huhn mit Knochen serviert. Jedem ist klar, was er/sie isst!

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