Immer wieder spricht man von Indien als ein tierfreundliches und
tierwertschätzendes Land. Laut dem Klischee gelten Kühe als heilig und werden
weder gegessen noch überfahren und in den Tempeln leben Menschen in Harmonie mit
Elefanten zusammen. Schätzungen zur Folge ernähren sich rund 40 % der indischen
Bevölkerung vegetarisch, während es in Deutschland nur 10 % sind. Die
Durchschnitts-InderInnen konsumieren 4 Kg Fleisch pro Kopf pro Jahr, die Durchschnittsdeutschen
ganze 60 Kg !!!
Doch das westliche Auge erschrickt beim Anblick der indischen Realität.
Hühner werden lebendig, an ihren Füßen zusammen gebunden, auf Motorrädern zum
Schlachter transportiert, wo sie in engen Käfigen zusammengepfercht darauf
warten dürfen, vor den Augen des Kunden geschlachtet zu werden ( mit dem Beil
auf einem Holzblock). Elefanten verbringen die meiste Zeit ihres Tempellebens
in Ketten gelegt und Ochsen und Kamele werden vor der Kutsche durch Nasenringe
gelenkt.
Im Kontrast dazu ist das Straßenbild geprägt von frei herum galoppierenden Pferden, schlafenden oder lautstark kämpfenden Straßenhunden - und nur in Indien wird das Ballspiel der Kinder wegen einer Kuh unterbrochen, die durchs Spielfeld läuft. Auf der einen Seite bedeutet dies Freiheit für die Tiere, auf der anderen Seite sind sie dadurch Gefahren ausgesetzt, wie dem Straßenverkehr oder giftigem Müll, in dem jede Art von Tier immer wieder nach Nahrung sucht.
Wir haben festgestellt, dass der Umgang mit Tieren hier ein anderer ist.
Die Menschen sind vielmehr auf ihren Nutzen fokussiert. Vegetarier ist man aus
religiösen Gründen, ein Hund hält man sich zur Wache, nicht zum Schmusen. Und
um weiter unser oben angestelltes Klischee zu widerlegen, wollen wir auch an
die Muslimen und Christen erinnern, bei denen Kuh, genau wie in Deutschland, auf
der Speisekarte stehen kann.
Dass ein Hund mit im Bett schläft und Reiten als reines Hobby und nicht als Fortbewegungsmethode gesehen wird, stößt in unserem indischen Umfeld eher auf Unverständnis. Vegetarismus aus Tierliebe wird akzeptiert, ist uns hier aber noch nicht begegnet. Und auch wenn es unzaelige vegetarische Restaurants gibt, wird zu besonderen Anlässen (z.B. wenn Gäste zu Besuch kommen) mit Fleisch gekocht.
Allerdings gibt es auch in Indien Tierschutzorganisationen! So kam am
Welt-Tier-Tag eine Gruppe junger
AktivistInnen nach Abhaya, die sich gegen den qualvollen Transport der Hühner
aussprechen, und Papageien aus viel zu engen Käfigen retten und aufpäppeln.
Außerdem haben wir an der Bushaltestelle einen Vertreter von " save our
snakes" kennengelernt, eine NGO, die 24/ 7 erreichbar ist und angerufen
werden kann, wenn man eine Schlange bei sich zu Hause entdeckt. Somit soll
verhindert werden, dass Menschen die Schlange töten, was hier eine gängige
Vorgehensweise ist.
Und schauen wir mal genauer in unser Heimatland, müssen wir feststellen,
dass Tiere bei uns nicht besser behandelt werden, es wird nur besser versteckt!
Der Transport zum Schlachter passiert in großen, unauffälligen LKWs, die der
Bevölkerung erst dann auffallen, wenn sie im Stau versehentlich neben so einem
landen (was oft ein Drama in Familienautos auslöst). Vergleicht man das Leben
einer Kuh in Massentierhaltung, mit dem Leben der Kuh unseres indischen
Nachbarn, geht es dem indischen Tier doch minimal besser, da es zwar den ganzen
Tag vor dem Haus angebunden ist, doch frische Luft, ein bisschen Platz und die
Unterhaltung durch das Straßenleben genießen kann (ab und zu wird sie sogar
Spazieren geführt).
In Deutschland essen wir zwar viel mehr Fleisch, wollen aber nicht wahrhaben, woher das, was auf unserem Teller ist, eigentlich kommt - es sieht nicht mehr wirklich nach Tier aus! Auf einem Bild haben unsere Mädchen deutschen Weihnachtslachs für "Sweets" gehalten, denn hier in Indien wird der Fisch als Ganzes - mit Kopf und Flosse - und das Huhn mit Knochen serviert. Jedem ist klar, was er/sie isst!
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