Montag, 29. Februar 2016

Woher kommen eigentlich unsere Mädchen?

- zwei examplarische Geschichten-


Während unserer Arbeit bei NMCT haben wir uns mit der Geschichte jedes einzelnen Abhaya Mädchens auseinander gesetzt – manchmal recht oberflächig, teilweise aber auch sehr intensiv. Um die Geschichten für die NGO, aber auch für Abhayas finanzielle UnterstützerInnen festzuhalten, haben wir über jedes Mädchen, das momentan in dem Hostel lebt, ein Profil erstellt. Da es für euch interessant sein könnte zu erfahren, aus welchen Hintergründen unsere Mädels stammen, möchten wir gerne zwei „Beispiel-Geschichten“ mit euch teilen. Bitte berücksichtigt, dass wir die Namen aller Familienmitglieder, sowie den genauen Wohnort nicht erwähnen bzw. geändert haben, um die Privatsphäre der Kinder zu schützen.

Priya
Geboren:             1999
In Abhaya seit:  2009
Familie:               Mutter (HIV-positiv), Vater (kein Kontakt), Stiefvater (†, HIV-positiv),
                                Geschwister: 13 Jahre ältere Schwester, 3 Jahre jüngere Halbschwester
Bildung:               2. Jahr an einem staatlichen College mit mechanisch-technischem Schwerpunkt

Familienhintergrund
Priyas zu Hause ist ein kleines Steinhaus im Vorort einer industriellen Großstadt, direkt neben einer lauten und restlosen Autobahn. Es ist der Ort, an dem schon ihre Mutter aufgewachsen ist und seit dem ihr gesamtes Leben verbracht hat.
Nach der Hochzeit ist Priyas Vater eingezogen, jedoch war es von Anfang an nicht leicht mit ihm. Er hatte eine andere Affäre und hat damit in der Familie viel Streit provoziert. Kurz nach Priyas Geburt hat er seine Frau und Töchter schließlich verlassen, so dass für Priya ihr Stiefvater und ihre Halbschwester ihre „richtige“ Familie sind.
Das Einkommen, das der Stiefvater als Elektriker verdiente, wurde die Haupteinnahmequelle der Familie und obwohl es nicht viel war, hat es gereicht um ihre Bedürfnisse abzudecken. In 2006 litt er jedoch plötzlich stark unter den vielzähligen Folgeerkrankungen einer HIV Infektion und starb noch im selben Jahr. Priyas Mutter, die dann erfuhr, dass sie ebenfalls unter dem Virus leidet, ist seitdem dazu gezwungen als Tagelöhnerin zu arbeiten, doch auch ihr Gesundheitszustand ist bis heute schwach und ihr Verdienst sehr gering.

Grund für die Aufnahme in Abhaya
Als Priya noch zu Hause gewohnt hat, konnte sich ihre Mutter nicht wirklich um sie kümmern, da sie stets bis abends gearbeitet hat. Das Geld reichte jedoch trotzdem nicht für das Schulmaterial beider Kinder, oft gab es noch nicht einmal drei vernünftige Mahlzeiten am Tag. Abhaya ist für Priya eine Möglichkeit eine gute Schulbildung zu erlangen und gleichzeitig in einem fürsorglichen Umfeld zu leben, in dem für ihre Grundbedürfnisse gesorgt werden kann. Ihre Stiefschwester lebt seit einigen Jahren auch in Abhaya.

Entwicklung
Ohne ihre Mutter zusammen zu leben, war für Priya ein großer Schritt. Als sie dem Kinderheim beigetreten ist, war sie extrem schüchtern und hat kaum gesprochen. Obwohl dieser Charakterzug immer noch hervorkommt, wenn sie sich neuen und unbekannten Situationen stellen muss, ist sie ein erwachsenes Mädchen geworden. Sie hat angefangen den Alltag in Abhaya zu regeln und ruft oft kleine Treffen ein, in denen sie die jüngeren Mädchen anleitet.
Priya ist unglaublich glücklich, dass sie die Chance bekommen hat in „ihrem Abhaya“ zu leben. Besonders weiß sie zu schätzen, dass sie hier immer alles bekommt, was sie braucht – wie Seife, Kleidung, Schulmaterial – denn in ihrem zu Hause konnte sie diese Erfahrung nicht machen.

Zukunft
Nachdem sie ihr zweites und letztes Jahr am Berufskolleg beendet hat, möchte Priya wieder zu ihrer Mutter ziehen, denn es ist ihr Wunsch diese zu unterstützen. Sie plant einen Teilzeitjob im mechanisch-technischen Bereich anzunehmen und ihre höhere Ausbildung an einer Abendschule weiterzuführen. Ihre Bildung wird in jedem Fall weiter von NMCT unterstützt.


Boowaneswari
Geboren:             2002
In Abhaya seit:  2015
Familie:               Mutter, Vater, 3 Jahre ältere Schwester
Bildung:               9. Klasse an einer staatlichen High School

Familienhintergrund
Boowaneswari kommt aus einem indigen Dorf in der ländlichen Umgebung Coimbatores. In ihrer Familie ist die Mutter Oberhaupt, Brotverdiener und Ansprechperson für die Kinder, denn der Vater hat ein starkes Alkoholproblem. Während er zu Hause oder im Dorf herumlungert, arbeitet die junge Frau auf einer Farm, wo sie ein tägliches Einkommen von 120RS verdient (weniger als 2€). Dies reicht in der Regel aus, um die Bedürfnisse der Familie abzudecken, doch der Vater beansprucht ihren Verdienst immer wieder für seine Spirituosen. Dabei bedient er sich verbaler, sowie physischer Gewalt. Auch Boowaneswari musste dies erfahren, wenn ihr Vater sie morgens regelmäßig dazu gezwungen hat, nicht zur Schule zu gehen. Obwohl sie normalerweise eine staatliche Mittelschule in im Nachbardorf besucht hat, ist sie an solchen Tagen zu Hause geblieben und hat im Haushalt geholfen.

Grund für die Aufnahme in Abahya
Boowaneswaris alte Schule geht nur bis zur 8. Klasse und so müssen die SchülerInnen für ihren Sekundarschulabschluss auf eine High School wechseln. Für Boowaneswari war die nächstgelegenste Möglichkeit eine staatliche Schule, 16km von ihrem Heimatort entfernt. Es gibt allerdings keine regelmäßig fahrende Busse dorthin und selbst wenn es sie geben würden, könnte sich die Familie die Fahrtkosten nicht leisten. Daher hat Boowaneswari die Schule abgebrochen - ohne einen Abschluss zu haben.
Um ihr eine bessere Zukunft als die ihrer Schwester zu ermöglichen, die nach ihrem Schulabbruch als Kinderarbeiterin tätig war, hat NMCT Boowaneswari nach Abahya gebracht. Dies gibt ihr die Chance ihre Ausbildung fortzuführen, bis sie in der Lage ist auf eigenen Beinen zu stehen. Außerdem bietet ihr das Heim die Chance in einer sicheren und kindesfreundlichen Atmosphäre zu leben.

Entwicklung
Boowaneswari ist noch nicht lange in Abhaya und immer noch eher schüchtern. Da sie in ihrem Heimatdorf kein Tamil gesprochen hat, hat sie leichte Schwierigkeiten mit alltäglicher Kommunikation und versteht auch in der Schule nicht so viel, wie die anderen Mädchen. Aufgrund von einem unglaublich geringen Selbstbewusstsein traut sie sich aber auch wenig zu.
Trotzdem steckt sie viel Arbeit in ihre Hausaufgaben und ist gewollt zu lernen. Generell ist Boowaneswari an Neuem interessiert und nimmt offen an allen Programmen im Kinderheim teil. Ein „Life Skill training“, das vor Kurzem für die Kinder organisiert wurde, hat ihr außerdem geholfen ehrlicher und freier mit anderen Leuten zu reden. Und auch wenn die Beziehungen noch nicht sehr tief sein mögen, kann man sagen, dass Boowaneswari sich in jedem Fall gut mit all den anderen Mädchen versteht!

Zukunft

Boowaneswari wird sich nun zunächst einmal auf ihren Sekundarschulabschluss konzentrieren. Es ist ihr Ziel die 10. Klasse zu beenden und dann auf ein Berufskolleg zu gehen. 

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