Dienstag, 16. Februar 2016

Alles umsonst, oder was?

Wenn man durch die Straßen Tamil Nadu's läuft, kann man das Gesicht von Amma (=  tamilisch für Mutter) nicht übersehen. Von Plakaten, Wänden, Ventilatoren, Küchengeräten, Rucksäcken... blickt einem die Parteivorsitzende der momentanen Regierung entgegen und macht auf das aufmerksam, das von ihr finanziert wird. Wir haben außerdem mitbekommen, wie "das Government" (und damit ist eigentlich immer "Amma" gemeint) zwei unserer College Mädchen Fahrräder gestellt hat. Für die SchülerInnen des staatlichen Polytechnical Colleges, das ebenfalls von einigen (ehemaligen) Abhaya Mädchen besucht wird, gibt es sogar kostenlose Laptops!
Die Regierung ist in kostenloser Materialvergabe (gerade vor den Wahlen) also sehr aktiv. Doch es werden nicht nur Gegenstände vergeben, auch stehen der Bevölkerung in den Sektoren Ernährung, Gesundheit und Bildung kostenlose Dienstleistungen zu Verfügung, dies geht allerdings in der Regel nicht von der tamilischen, sondern von der zentralindischen Regierung aus. Wir hatten in der letzten Zeit die Chance die ein oder andere Einrichtung zu besichtigen und möchten euch gerne davon erzählen.





Bildung:
Wie in Deutschland, sind auch in Indien staatliche Schulen kostenlos. Jedoch ist der Privatschulsektor mit 40 % um einiges höher als bei uns, denn hier gilt: Je mehr in Schulbildung und Nachhilfe investiert wird, umso besser sind die späteren Berufschancen.
Die Staatsschulen richten sich daher eher an ein ärmeres Klientel. Schuluniformen, Rucksäcke und Lehrbücher werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es an Grund- und Mittelschulen ein nährreiches Mittagessen (jeden Tag mit Ei), für das dann ebenfalls nicht gezahlt werden muss.
Ein weiterer Unterschied ist, dass auf den meisten Privatschulen auf Englisch unterrichtet wird, was den SchülerInnen auch hinsichtlich ihrer Weiterbildung auf Colleges und Universitäten einen Vorteil bringt.
Übrigens gibt es auch kostenlose Kindergärten, in denen 2-5-Jährige von 8-16 Uhr bereut und gefüttert werden.





Ernährung:
In Indien besitzt jeder Staatsbürger eine Ration Card, die es einem ermöglicht jeden Monat kostenlos im Ration Shop einzukaufen. Ration Shops gibt es eigentlich in jedem Dorf, ausgenommen sind nur sehr abgelegene Gegenden. Abhängig von der Anzahl der in der Ration Card vermerkten Familienmitglieder, stehen einem bestimmte Mengen an Reis, Daal, Zucker.. und Benzin zur Verfügung. Dabei gibt es drei verschiedene Arten von Ration Cards, die mit dem Einkommen der Familie in Verbindung steht.
Der einzige Kritikpunkt, den wir während unserer Arbeit beobachten konnten, war, dass es für die wirklich arme und ungebildete  Bevölkerung eine bürokratische Hürde ist, die Ration Card (die auch regelmäßig erneuert werden muss) zu beantragen.  





Gesundheit:
Da es in Indien keine verpflichtende Krankenversicherung gibt, ist es gut, dass in staatlichen Krankenhäusern die medizinische Behandlung umsonst ist. Wir haben ein staatliches " Primary Health Centre" besucht, welches einer großen Arztpraxis ähnelt. Hier gibt es neben konventioneller Medizin auch die Möglichkeit, sich alternativ behandeln zu lassen, wie zum Beispiel mit Ayurveda (traditionelle indische heilweise), an der etwa 25% der Patienten interessiert sind.
Außerdem fanden wir den TB (= Tuberculose) Sektor sehr spannend, indem Betroffene sehr intensiv, teilweise auch mit Hausbesuchen, betreut werden. Obwohl die Behandlung dieselbe ist, lässt sich die reichere Bevölkerung lieber unter saubereren Bedingungen in privaten Einrichtungen behandeln. Die Schwierigkeit dabei ist, dass die indische Regierung alle Tb-Fälle auswerten will, die privaten Ärzte jedoch keine Details herausgeben. Daher möchte die Regierung in Zukunft ein Abkommen mit der Pharmaindustrie machen, um TB-Medizin nur noch in staatlichen Krankenhäusern auszugeben.

Auch interessant war das Gespräch mit dem Blog-Medical-Officer, der für einen Wohnsiedlung von über 30 km verantwortlich ist und in diesem Gebiet den Gesundheitszustand der Bevölkerung beobachten soll. Er/Sie ist 24 Stunden erreichbar, verbindet die Leute mit den staatlichen Krankenhäusern und schafft Bewusstsein, wie mit den aktuell kursierenden Krankheiten umgegangen werden muss. Das Hauptproblem besteht laut dem Blog-Medical-Officer, mit dem wir gesprochen haben, darin, dass die meisten Leute im Krankheitsfall nur zum nächsten Medical-Shop gehen (= ein Art kleine Apotheke
) anstatt sich wirklich von einem Arzt behandeln zu lassen.


Wir möchten mit diesem Blogartikel die indische Regierung auf gar keinen Fall großartig Loben oder Werten. Um ehrlich zu sein wissen wir relativ wenig über Politik in Indien. Wir wollten nur mit euch teilen, was wir beobachtet haben und zeigen, dass manche Dinge auch anders laufen können als in Deutschlang (z.B. kostenlose Behandlung statt verpflichtende Krankenversicherung).

2 Kommentare:

  1. Lesen gerade am Bus stop mit blick auf ein großes ammaa plakat euern Artikel ;) richtig gut geschrieben und recherchiert, haben uns schon oft gefragt wie das mit den Ration cards genau funktioniert, jetzt wissen wir mehr :)
    Eva Und wibke

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  2. Hallo ihr zwei,
    immer wieder schön von Euch zu hören und zu sehen, interessante Texte und Bilder, ich fühl mich ein ganz, ganz kleines Stück näher an Indien, danke.
    Christian

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